Vom 365-Euro-Ticket zum ticketlosen Nahverkehr: Zwei Säulen für eine sichere Finanzierung

In der Debatte um eine Nahverkehrsabgabe hat die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS ihre Vorstellungen konkretisiert. „Stuttgart braucht zwei Finanzierungsquellen für einen starken und leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr“, erläutert Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch. „Für den Betrieb des ÖPNV bedarf es einer verlässlichen und breiten Finanzierungsbasis – das ist aus unserer Sicht nur mit einer solidarischen Finanzierung im Sinne einer Nahverkehrsabgabe, an der sich auch Unternehmen beteiligen, zu machen“, erläutert Rockenbauch. „Für den Ausbau des ÖPNV finden wir es angemessen, insbesondere die Autofahrer_innen an den Kosten zu beteiligen“ ergänzt der verkehrspolitische Sprecher, Christoph Ozasek. „Dies kann zum Beispiel durch eine Luftreinhalteabgabe erfolgen“, so Ozasek weiter.

Vom 365-Euro-Ticket zum ticketlosen Nahverkehr

„Ein 365-Euro-Ticket sehen wir als einen ersten Schritt, das Ziel muss ein ticketloser Nahverkehr sein, an deren Finanzierung sich Einwohner_innen und Betriebe beteiligen“, fasst Ozasek die Vorstellungen der Fraktionsgemeinschaft zusammen. „ticketloser Nahverkehr, finanziert durch eine solidarische Nahverkehrsabgabe, eine Luftreinhalteabgabe für Kfz-Verkehre und Beiträge von Hotelgästen, Einzelhandel und Gewerbe – so stelle ich mir das vor“, sagt Hannes Rockenbauch.

Kritik am Modell der Grünen – trotzdem Verhandlungen aufnehmen

Das Modell der Gemeinderatsfraktion der Grünen sei überarbeitungsbedürftig, weil es langfristig die Finanzierungsbasis für den ÖNNV nicht sicherstellen könne: „Je weniger Autos fahren, desto weniger Geld fließt in den ÖPNV“, kritisiert Hannes Rockenbauch den Vorschlag der Grünen. „Langfristig brauchen wir für den ticketlosen Nahverkehr zwei Finanzierungssäulen“, ergänzt Christoph Ozasek.

„Die Grünen haben sich bislang nicht für Ticketverbilligungen erwärmen können – im Gegenteil, jede Erhöhung der VVS-Ticketpreise in den letzten Jahren fanden den Segen der Grünen. Den Sinneswandel begrüßen wir ausdrücklich“, so Hannes Rockenbauch. „Wir fordern die Grünen und die SPD jetzt auf, mit uns in Verhandlungen zu treten, dass dieser Vorstoß nicht im Sand verläuft und am Ende nur warme Worte übrigbleiben“, so Ozasek weiter.

„Es ist noch kein halbes Jahr her, da haben die Grünen unsere Vorschläge für ein 365-Euro-Ticket für den Nahverkehr abgelehnt – jetzt präsentieren sie die Idee in neuem Gewand“, kritisiert Hannes Rockenbauch. „Der Oberbürgermeister hat das Thema Nahverkehrsabgabe seit Jahren ausgesessen. Jetzt so zu tun, als ob er das schon immer gewollt hätte, ist unglaubwürdig. Und unsere Anträge zum Thema Nahverkehrsabgabe unbearbeitet vom Tisch zu wischen ist inakzeptabel“, so Ozasek mit Verweis auf den Vorstoß der Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS im vierten Quartal 2017, der die Verwaltung auffordert, sich beim Land für eine Nahverkehrsabgabe einzusetzen.

Gleichbehandlung von Pkw und ÖPNV

„Die finanziellen Privilegien für den Autoverkehr, welche die öffentliche Hand jahrzehntelang gewährt hat, müssen endlich fallen“, fordert Ozasek und verweist auf eine Studie[1] der Universität Kassel, der zufolge die Kommunen ein Vielfaches für die Pkw-Infrastruktur ausgeben, im Vergleich zu dem Budget, was in den ÖPNV fließt. „Dieses Ungleichgewicht muss auch mit Blick auf den Klimawandel beseitigt werden“, fordert der verkehrspolitische Sprecher.

Rechtsgrundlage: Luftreinhalteabgabe im Luftreinhalteplan

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vor zwei Jahren ein Rechtsgutachten[2] vorgelegt, in dem sie drei Wege einer Citymaut skizziert. „Dort ist zu lesen, dass der einfachste Weg eine Luftreinhalteabgabe wäre, die direkt im Luftreinhalteplan verankert werden könnte – ohne Gesetzesänderung“, erläutert Hannes Rockenbauch. „Das Land vertritt bislang die Meinung, dass dies nicht möglich sei. In den letzten Jahren haben sich allerdings die Rechtsauffassungen der DUH als gerichtsfester erwiesen als diejenigen der Landesregierung“, merkt Christoph Ozasek an. „Deshalb fordern wir das Land auf, eine Luftreinhalteabgabe in den Luftreinhalteplan aufzunehmen“, sind sich Ozasek und Rockenbauch einig. An den Oberbürgermeister richtet Ozasek noch eine Forderung: „Wir fordern Fritz Kuhn auf, dem Land gegenüber die Forderung einer Luftreinhalteabgabe zu artikulieren.“

Information – Veranstaltung 11. April ab 19 Uhr im Rathaus, großer Saal

Unter dem Titel „Verkehrswende statt Mosswände“ veranstaltet die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS in Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen „Freifahren Stuttgart“ und „BI Neckartor“ und den Anstiftern eine Podiumsdiskussion zum Thema ticketloser Nahverkehr.

Auf dem Podium diskutieren:

Sabine Leidig, Bundestagsabgeordnete

Prof. Heiner Monheim, Verkehrsexperte

Hannes Rockenbauch, Stadtrat

Ein Vertreter von TüBus umsonst

Datum: Mittwoch, 11. April 2018

Zeit: ab 19 Uhr

Ort: Großer Saal, Rathaus Stuttgart Titel: Verkehrswende statt Mooswände

[1] Prof. Carsten Sommer: Welche Kosten verursachen verschiedene Verkehrsmittel wirklich? Schlussfolgerung der Studie: Der PKW-Verkehr in einer deutschen Großstadt kostet die öffentliche Hand und die Allgemeinheit etwa das Dreifache wie der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV).

[2] Prof. Dr. Remo Klinger: Rechtsgutachten zur Zulässigkeit der Einführung einer Citymaut durch Bundesländer und Kommunen, 14. März 2016