Tom Adlers Rede auf der Montagsdemo 9. Mai 2016

Rede von Tom Adler, Stadtrat SÖS-LINKE-PLuS, auf der 321. Montagsdemo am 9.5.2016

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich habe vom Demoteam die Aufgabe gestellt bekommen, heute zehn Minuten zum Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün zu sprechen. Das ist eine absehbar undankbare Aufgabe, denn schon die Überschrift sagt fast alles was man dazu wissen muss: „Verlässlich. Nachhaltig. Innovativ“– also inhaltslos, unverbindlich, beliebig, dehnbarer Politik-Neusprech, aus „Staatsraison“ zustande gekommen, sagte der schwarz-grüne Ministerpräsident. Und natürlich, erklären CDU wie Grüne, sie hätten ihren „Markenkern“ durchgesetzt… Nachdem nun die Baden-Württembergischen Grünen selber schon die parteigewordene Verkörperung schwarz-grüner Politik sind, kann man gut nachvollziehen, dass dem rein schwarzen Partner diese Bewertung nicht mehr sehr schwer gefallen sein kann.

Vor fünf Jahren hatte die KONTEXT-Wochenzeitung wegen der Kretschmann-Schmiedel-Koalition Baden-Württemberg ganz euphorisch zum spannenden „Demokratie-Labor“ erklärt. Da fällt uns allen einiges ein, wie schnell damit Schluss war: die Stadtzerstörung durch S21 in Nullkommanix mit „der Käs isch g’esse“ durchgewunken. Der Schlossgarten perfekt organisiert zur Zerstörung freigegeben. Der Mappus‘sche Rahmenbefehl bis heute in Kraft. Das im Koalitionsvertrag gegebene Versprechen „Polizistenkennzeichnung“: gebrochen. Ein Kratzfuß vor der Autoindustrie nach dem anderen. Und beim „Filderdialog“ wie bei allen ähnlichen Veranstaltungen sachkundige Argumente gegen den S21-Wahnsinn und für sinnvolle Alternativen übergangen und ausmanövriert: das war dann also die ‚Politik des Gehörtwerdens‘ im grün-roten Demokratie-Labor.

Der „Verlässlich-Nachhaltig- Innovative“- Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün ist jetzt die konsequente Fortsetzung dieser Politik. Schauen wir’s uns an zwei Beispielen an, dem Kostendeckel und der Verkehrspolitik:

Der Kostendeckel war ja damals die eherne Grundlage der Volksabstimmung, der wird zwar nicht einfach gestrichen im Koalitionsvertrag, sondern der Deckel, der ja eine absolute Obergrenze sein sollte, wird zum „Ziel“ umdefiniert. Das soll es den Herrschaften bei Bahn, Land und Stadt ermöglichen, ihn dann zu lupfen, wenn zwei Dinge absolut nicht mehr zu vertuschen sind – und dieser Zeitpunkt kommt immer näher: erstens die absehbaren Kostensteigerungen, zweitens der Leistungsrückbau des Tunnelbahnhofs mit all seinen Konsequenzen.

Ganz trickreich wird das inzwischen eingefädelt: verschiedene S21-Unterstützer haben bereits Nebenschauplätze eröffnet und melden „zusätzliche Projekte für die Zukunft“ an, die die Mängel des Murksprojekts beheben helfen und die Kapazität des öffentlichen Transport auf der Schiene erhalten sollen. Mit dem Tunnelbahnhofs-Leistungsrückbau-Murksprojekt hat das alles natürlich nicht das mindeste zu tun: erst kam die Mehrkosten-Nummer beim Flughafenbahnhof, dann entdeckt Herr Heimerl die Gäubahntrasse, die an- und eingebunden werden soll, dann kam der Vorstandsvorsitzende der SSB, der Herr Arnold, der ab kommender Woche den Straßenbahnverkehr für den S21-Bau für 4 Jahre amputieren lässt, Sie haben das ja alles verfolgt!

DAS ALLES, sagt die ganz große S21-Koalition, hat mit Leistungsrückbaumurks natürlich nicht das allermindeste zu tun – und jeder muss doch verstehen: das wird natürlich schon ordentlich was kosten, Mehrleistung heißt Mehrkosten! Liebe FreundInnen, diese Manöver werden noch zunehmen, und es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie als das erkannt werden, was sie sind: Kostenverschleierungsmanöver mit dem Nebeneffekt Nachbesserung für eine von Anfang an vermurkste Planung an einem von Anfang an schädlichen Projekt!

Und auch das verkehrspolitische Kapitel im Koalitionsvertrag kann nicht wirklich überraschen. Dass das Land die „planmäßige und zügige Umsetzung von Stuttgart 21“ betreiben wird, haben wir erwartet, dass es ein Schienenverkehrs-Rückbau- und Kannibalisierungsprojekt ist, das alle schönen Worte vom „Vorrang für die Schiene“ zur Makulatur machen wird, stört ja nicht weiter, solange die Regierungs-Posten gesichert sind.  Schließlich war schon die rot-grüne Schienenausbau-Politik vor allem eine Schienenausbau-Ankündigungspolitik!

Und die ist jetzt schwarz-grün komplettiert worden:

  • Komplettiert um klare Bekenntnisse zum Straßenverkehrsausbau, im Land und in den Kommunen, wo doch das Gegenteil, nämlich Straßenrückbau und Ausbau des ÖPNV ganz besonders in den Städten dringend notwendig wäre!
  • Komplettiert um Gigaliner, die das Ziel „Güter auf die Schiene“ sabotieren werden und um einen Fernbusverkehr, der den Schienen-Ausbau weiter konterkarieren und ausbremsen wird.

Schwarz-grünes Koalitionsvereinbarungspapier ist sicher genauso geduldig wie das der rot-grünen Vorgänger, wenn es um die vielen unverbindlichen Bekenntnisse zur Bedeutung der Schiene geht.

Bestimmt stand das 2011 schon so ähnlich drin: „Wir werden eine ÖPNV-Offensive beginnen (…) Baden-Württemberg soll fußgängerfreundlicher werden (…) Die Verbesserung des Fuß- und Radverkehrs ist ein erheblicher Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in unseren Städten

Stuttgart soll ja, sagt der Koalitionsvertrag, das Lebensqualitäts- und Mobilitäts-Modellprojekt von schwarz-grün sein und werden, Stuttgart mit seiner S21-ramponierten Innenstadt, den für Jahre gekappten U-Bahnverbindungen und Fahrradrouten. Da können wir den übrigen Baden-Württem­bergern nur raten: Schaut auf diese Stadt, dann wisst ihr, was euch droht, seid misstrauisch und stellt euch schnellstmöglich auf die Hinterfüße, wenn sie euch mit diesen wohlklingenden Sprüchen kommen: (Zitat Koalitionsvertrag) „Auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur gebieten die Zielsetzungen der Bewahrung der Schöpfung und des Erhalts der Biodiversität, konsequent alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Flora und Fauna zu ergreifen. Wir wollen Alleen und andere Straßenbepflanzungen erhalten und aufwerten.“ (Zitat Koalitionsvertrag Ende)

Das geht heute jeder Autolobbyisten-Partei locker über die Lippen, und der Stuttgarter fragt sich: wie zynisch ist das denn?! Schaut also auf diese Stadt, überall wurde und wird rücksichtslos abgeholzt, Flora und Fauna und Klima hin oder her, und schaut links und rechts der Autobahn von Stuttgart bis Ulm, quadratkilometerweise umgehackte, durchwühlte und betonierte Natur für Projekte, die nichts verbessern außer der Kassenlage der Bauunternehmen!

Liebe Freundinnen und Freunde, in diesem „Demokratie-Labor Baden-Württemberg“, „spricht also einiges dafür, dass im Südwesten eine gute Portion ‚Politik zum Abgewöhnen‘ ansteht.“ Das hat ein Kommentator des Koalitionsvertrags in SWR2 gesagt, und das trifft sicher zu, nicht nur für die Politik der Regierungskoalition, sondern für alle Landtagsparteien.

Aber wenn ich unter euch nicht zuversichtlich wäre, hätte ich hier nicht geredet: zuversichtlich, dass sie es trotzdem nicht schaffen werden, uns unsre politische Einmischung abzugewöhnen, unser Engagement für eine lebenswerte Stadt für alle ohne Tunnelbahnhof – Koalitionen und Koalitionsverträge hin oder her – unser Protest auf der Straße geht weiter!

WESSEN STADT – UNSRE STADT! OBEN BLEIBEN!

 

Unterstützerkonto der Parkschützer: Inhaber: Umkehrbar e.V.
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Es können keine Spendenbescheinigungen ausgestellt werden.

 

PRESSEMITTEILUNG DES BUND

 

Zumeldung

zur Pressemitteilung des Staatsministeriums Nr. 065/2016

Stellungnahme des Landes zum Bundesverkehrswegeplan (2030):

Ökologische Mobilitätspolitik rückt in weite Ferne

Stuttgart. Der BUND Baden-Württemberg sieht in der heute von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vorgestellten Stellungnahme zum Bundesverkehrswegeplan eine Rolle rückwärts in der Verkehrspolitik des Landes. „In der Verkehrspolitik der neuen grün-schwarzen Regierung rücken Klimaschutz und Nachhaltigkeit immer mehr in den Hintergrund. Unkritisch und rein wirtschaftsorientiert unterstützt das Land einen massiven Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen im Umfang von über neun Milliarden Euro. Das ist Autopolitik pur“, so die BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender.

Die allzu dezente Kritik des Landes an dem Entwurf greift aus Sicht des BUND zu kurz. Die Einbindung des Bundesverkehrswegeplans in ein verkehrsträgerübergreifendes Mobilitätskonzept oder ein paar mehr Schienenprojekte ändern an der grundsätzlich falschen Weichenstellung des Bundesverkehrswegeplans nichts. „Das Land übersieht, dass die Fixierung auf über 130 Straßenbauprojekte und die Forderung nach mehr Geld für den Straßenbau Blechlawinen ins Rollen bringt und damit Klimaschutz und Nachhaltigkeit ins Abseits stellt“, so Dahlbender.

Auch kritisiert der BUND, dass sich die Landesregierung weder mit der Verfehlung nahezu aller Umweltziele noch mit der fehlenden Alternativenprüfung auseinandersetzt. In keinem Fall hat das Bundesverkehrsministerium geprüft, ob es kostengünstigere oder natur- und umweltverträglichere Alternativen gibt. „Es ist bedauerlich, dass selbst Alternativen, die das Land angemeldet hatte, wie beispielsweise bei der Hochrheinautobahn oder der neuen Rheinbrücke bei Karlsruhe unter den Tisch gefallen sind. Dass die neue Landesregierung dies so hinnimmt, ist unverständlich. Das Land verabschiedet sich im Bereich Klimaschutz und Mobilität von den eigenen Nachhaltigkeitszielen“, so Dahlbender.